Dass bestimmte Pflanzen heilkräftige Substanzen enthalten, entdeckten Menschen schon vor tausenden Jahren. Dank moderner wissenschaftlicher Methoden weiß man heute, warum Heilpflanzen wirken, und immer wieder werden neue pflanzliche Wirkstoffe entdeckt und benannt. Schon früh begannen Kulturen auf mehreren Kontinenten, das Wissen über Heilpflanzen systematisch zu sammeln und zu dokumentieren. Neben der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und der indischen Heilkunst Ayurveda hat die Pflanzenheilkunde auch in Europa eine ganz starke, zweitausend Jahre alte Tradition.
Bis heute gelten die Schriften von Hippokrates, Paracelsus und Hildegard von Bingen als wertvoller Wissensschatz zur medizinischen Nutzung vieler heimischer Pflanzen. Pflanzliche Arzneimittel werden auch als Phytopharmaka bezeichnet, einer Zusammensetzung aus den griechischen Begriffen phyton (Pflanze) und pharmakon (Arzneimittel). Der französische Arzt Henri Leclerc prägte den Begriff „Phytotherapie“.
Vielzahl an Wirkstoffen
Die Heilwirkung von Pflanzen beruht auf den Eigenschaften unterschiedlicher Inhaltsstoffe. Für viele pflanzliche Substanzen ist die therapeutische Wirkung mittlerweile wissenschaftlich belegt, für andere beruht das Wissen über Wirksamkeit und Verträglichkeit bis heute auf den langjährigen Erfahrungen.
Zu den pflanzlichen Wirkstoffen zählen Alkaloide, Glykoside, Saponine, Gerbstoffe, Flavonoide, Cumarine, ätherische Öle und Schleimstoffe. Dank dieser hochwirksamen Substanzen eignen sich Phytopharmaka zur Linderung einer Vielzahl an alltäglichen Erkrankungen, wie Husten, Schnupfen und Halsweh, Magen- Darm-Erkrankungen, Verdauungsbeschwerden, Blasenentzündung und Ekzemen. Zur Linderung von Wechselbeschwerden steht eine Fülle an pflanzlichen Präparaten zur Verfügung.
Auch bei der Therapie von Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen und Stresssymptomen haben sich pflanzliche Mittel bewährt. Verantwortlich für die Wirkung der Heilpflanzen ist meist das Zusammenspiel mehrerer oder einer Vielzahl unterschiedlicher Inhaltsstoffe. Bei manchen Heilpflanzen gelang es, einzelne Wirkstoffe zu isolieren, zum Beispiel das hochgiftige Atropin, das in der Tollkirsche und anderen Nachtschat- tengewächsen vorkommt.
Pflanzenkraft in vielerlei Form
Pflanzenmedizin kommt in ganz unterschiedlicher Darbietungsform zur Anwendung, als Sirup, Extrakt, Tropfen, Zäpfchen, Salbe, Gel, Tablette oder Kapsel, als Arzneitee oder Badezusatz. Frische oder getrocknete Kräuter können zum Inhalieren oder in Wickeln und Auflagen verwendet werden. Gemäß den Prinzipien der Traditionellen Europäischen Medizin werden Heilpflanzen auch zu Tinkturen verarbeitet. Sogenannte Urtinkturen sind die Grundlage homöopathischer Mittel, die nach den Vorgaben des Europäischen Arzneibuchs hergestellt werden. Für die Gemmotherapie werden im Frühling Knospen, Triebsprossen und Wurzelspitzen von Bäumen und Sträuchern geerntet und in einer Alkohol-Glycerin- Mischung angesetzt („mazeriert“). Die verwendeten Pflanzenteile sind besonders reich an pflanzlichen Hormonen, spezieller Phytoproteine und Enzymen.
Einst war das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen die Domäne der mittelalterlichen Mönche und pflanzenkundiger Heilerinnen, die nicht selten als „Hexen“ diffamiert wurden. Diese dunklen Zeiten sind zum Glück lange vorbei und die Phytotherapie ein selbstverständlicher Bestandteil der modernen Medizin.